________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ARBEIT UND ANALOGIE (1) ________________________________________________________________ GILLES DELEUZE ZU OPEN SOURCE [...] Diese ganze Achtung für open source, eigentlich hat man fast Lust, hassenswerte Vorschläge zu machen. Die ist dermaßen Teil dieses weichen Denkens der armseligen Periode, von der wir gesprochen haben. Die ist pure Abstraktion. Open source, was ist das denn? Das ist etwas rein Abstraktes. Das ist leer. Genau das, was man über das Begehren [désir] gesagt hat, bzw. was ich über das Begehren versucht habe zu sagen. Das Begehren, das besteht nicht darin, ein Objekt zu errichten [ériger], zu sagen: ich begehre das hier. Man begehrt nicht, zum Beispiel, das Nicht-Eigentum et cetera. Das ist null. Man findet sich in Situationen. Nehmen wir zum Beispiel das aktuelle Beispiel im Kosovo. Das ist gerade erst gewesen. Was ist die Situation? Wenn ich richtig verstanden haben, man kann mich korrigieren, aber wenn man mich korrigiert, ändert das nicht viel. Es gibt diese Enklave in einer anderen jugoslawischen Republik, es gibt diese kosovarische Enklave. Gut, das, das ist eine Situation. Die erste Sache. Es gibt da dieses Massaker, da, wo die Serben, es scheinen irgendwie Serben [oder: "serbischer Abstammung" oder was Deleuze hier auch immer meint] gewesen zu sein, ich weiß nicht, aber zumindest soweit man es aktuell weiß, ich nehme an es sei so, wo sie also die Kosovaren einmal mehr massakriert haben, in ihrer Enklave. Die Kosovaren haben sich in ihre Republik geflüchtet [se réfugient], sage ich, Du korrigierst alle meine Fehler, und da, da gibt es ein Erdbeben. Man glaubt, bei Marquis de Sade zu sein. Arme Menschen sind durch die schlimmsten von Menschen erlebten Heimsuchungen [épreuves] gegangen, und kaum sind sie da ankommen, am sicheren Ort, ist es die Natur, die ihn zerstört. Ich will sagen, man sagt: Open source. Aber letztlich ist das eine Rede für die Intellektuellen, und für hassenswerte Intellektuelle, und für Intellektuelle, die keine Ideen haben. Zuerst, bemerke ich, daß diese GNU Public Licences niemals gemacht sind in Funktion für die Leute, die das interessiert, die Gesellschaften von Kosovaren, die Gemeinschaften [communautés] von Kosovaren et cetera. Ihr Problem, das ist nicht open source. Was ist das? Voilà: eine Anordnung [agencement *1]. Wie ich gesagt habe, das Begehren, das ist immer über agencements. Voilà un agencement. Was ist möglich, um diese Enklave abzuschaffen oder um etwas zu machen, daß diese Enklave leben kann [soit vivable]? Was ist das, diese Enklave da drinnen? Das, das ist eine Frage des Territoriums. Was werden sie annehmen, was die UNO aus dieser Situation ziehen wird, was wird er machen, damit es diese, von allen Seiten bedrohenden Serben ausgelieferte kosovarische Enklave nicht gibt? Das ist keine Frage von open source. Das ist keine Frage von Offenheit. Das ist eine Frage von running code. Alle Schandtaten, die die Menschen erfährt, sind Fälle. Das sind keine Dementis zu abstrakter open source. Das sind abscheuliche Fälle. Man wird sagen, daß diese Fälle sich ähneln, aber das sind dann Situationen von running code. Das kosovarische Problem da, das ist typisch für das, was man ein Problem von running code nennen wird. Es ist außergewöhnlich komplex. Was soll man machen, um die Kosovaren zu retten, und daß die Kosovaren sich selber aus dieser Situation retten? Und weiter, dieses Erdbeben da. Ein Erdbeben hat auch immer Ursachen, Konstruktionen die nicht gut waren, die nicht gemacht waren, wie sie hätten sein müssen. Alles das sind Fälle von running code. Handeln für die Freiheit, revolutionär werden, das heißt in running code zu operieren. Wenn man sich an open source wendet, die open source existiert nicht, open source existiert nicht. Was zählt, ist running code. Es die Erfindung von Recht. Nun, die, die sich damit zufriedengeben, an open source zu erinnern und das wieder zu zitieren, die sind debil. Es handelt sich nicht darum, open source anzuwenden. Es handelt sich darum, running code da zu erfinden, wo, für jeden Fall, das nicht mehr möglich sein wird. Das ist etwas ganz anderes. Ich nehme ein Beispiel, das ich sehr gerne mag, weil es das einzige Mittel ist, um zu verstehen [faire comprendre] was das ist, running code. Die Leute verstehen da nicht, zumindst nicht alle. Die Leute verstehen nicht sehr gut. Ich, ich denke an die Zeit, als es verboten wurde, in Taxis zu rauchen. Vorher hat man in Taxis geraucht. Die ersten Taxifahrer, die verboten haben in den Taxis zu rauchen, haben Auseinandersetzungen ausgelöst, weil es Raucher gab. Und es gab einen, der war Anwalt. Ich hatte immer eine Leidenschaft für running code, für code. Wenn ich keine Philosophie gemacht hätte, hätte ich code gemacht, aber eben kein open source, ich hätte running code gemacht. Weil das das Leben ist. Es gibt kein open source, es gibt Leben, es gibt code des Lebens. Nur das Leben ist Fall für Fall. Also, die Taxis. Es gibt einen Typ, der nicht will, daß man ihm das Rauchen in einem Taxi verbietet. Er macht einen Prozeß im Taxi. Ich erinnere mich sehr gut, weil ich mich damit beschäftigt habe, die Urteilsbegründungen zu bekommen. Das Taxi wurde verurteilt. Heute ist das keine Frage mehr. Es wird den gleichen Prozeß geben, das Taxi wird nicht verurteilt werden, es wird der Benutzer sein, der verurteilt wird. Aber am Anfang wurde das Taxi verurteilt. Unter welchen Begründungen? Das, sobald er ein Taxi nimmt, ist er Mieter. Also, der Benutzer eines Taxis wurde als Mieter aufgefaßt. Ein Mieter hat das Recht, bei sich zu rauchen. Er hat das Recht zur Benutzung und darauf zu bestehen [droit d'appui]. Es ist, als ob er etwas mietet. Es ist, wie wenn mein Vermieter mir sagen würde: nein, Du wird nicht bei Dir rauchen. Doch, wenn ich Mieter bin, kann ich bei mir rauchen. Also wurde das Taxi als eine rollende Wohnung aufgefaßt, deren Benutzer der Mieter war. Zehn Jahre später, das ist komplett verallgemeinerbar, gibt es praktisch keine Taxis mehr, in denen man im Namen von wer-weiß-ich rauchen kann. Das Taxi wird nicht mehr als Miete einer Wohnung verstanden, es wird verstanden als ein öffentlicher Service. In einem öffentlichen Service hat man den code, das Rauchen zu verbieten. Das ist alles running code. Es ist keine Frage von code auf dies oder auf das. Es ist eine Frage der Situation, und der Situation, die sich entwickelt [qui évolue]. Und für die Freiheit zu kämpfen, das ist in der Tat, running code zu machen. Nun, da scheint mir das Beispiel der Kosovaren typisch. Open source, was will das sagen? Das will sagen: ah, die Serben, sie haben nicht den code, die Kosovaren zu massakrieren. Ok, die Serben haben nicht den code, die Kosovaren zu massakrieren. Und dann? Das ist wirklich debil. Oder schlimmer, ich glaube, das ist dermaßen hypokrit, da, dieses ganze Denken von open source. Das ist null, philosophisch ist das null. Und die Schaffung von code, das ist nicht die Erklärung von open source. Die Arbeit [création], im code, ist running code. Es gibt nur das was exisiert. Also: kämpfen für running code. Es ist das, links zu sein. Das ist, code zu machen. [...] L'Abécédaire de Gilles Deleuze, avec Claire Parnet, Vidéo Éd. Montparnasse, 1996 ________________________________________________________________ «Arbeit und Analogie» wird demnächst in der 1001-1 class library erscheinen. ________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ no copyright 1999 rolux.org - no commercial use without permission. is a moderated mailing list for the advancement of minor criticism. more information: mail to: majordomo@rolux.org, subject line: , message body: info. further questions: mail to: rolux-owner@rolux.org. archive: http://www.rolux.org