________________________________________________________________________________ Deutsches Haus 41-43/99 Eine schlechte Bilanz: Zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober kritisierten sowohl Pro Asyl als auch amnesty international die Flüchtlingspolitik der rot-grünen Bundesregierung. "Nur wenig wurde versprochen, kaum etwas gehalten", resümierte Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) müsse nun endlich die Härte- und die Altfall-Regelung auf den Weg bringen, erklärten beide Organisationen. Während Schily und Marieluise Beck, die grüne Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, im vergangenen Jahr die Flughafenregelung noch heftig kritisiert hätten, seien jetzt sogar noch weitere Verschärfungen geplant. Nach Worten von amnesty international muss der von der Regierung unterstützte Flüchtlingsbegriff verändert werden, da sonst weiterhin nur diejenigen anerkannt würden, die von Staaten oder staatsähnlichen Organisationen bedroht seien. Auch das Ziel, die Verwaltungsvorschriften für geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe zu überarbeiten, sei, so Kauffmann, nicht angepackt worden. Ein 38jähriger Türke wurde schwer und drei weitere wurden leicht verletzt, als 25 junge Spätaussiedler die Männer am 24. September in Lage bei Detmold mit einer Pistole und Schlagstöcken angriffen. Einer der Täter soll mehrmals um sich geschossen haben, andere hätten mit Eisenstangen und Latten zugeschlagen. Weil er selbst nicht bereit war, sein Herkunftsland zu nennen, hat das Mainzer Oberlandesgericht einem abgelehnten afrikanischen Asylbewerber Rechtsmissbrauch vorgeworfen. Deshalb habe der 30jährige Mann keinen Anspruch auf die Erteilung einer Duldung. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Koblenz diese Entscheidung bestätigt hat, droht dem Afrikaner nun die Abschiebung. Erstmals nach dem Ende des Kosovo-Krieges hat ein Oberverwaltungsgericht (OVG) am 30. September das Asylbegehren eines Kosovo-Albaners abgelehnt. Inzwischen müsse, so das OVG Münster, in der jugoslawischen Region wieder von einer "zumutbaren" Situation ausgegangen werden. Geklagt hatten Asylsuchende, die in früheren Jahren nach Deutschland gekommen waren. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte eine Sonderkonferenz zur Rückführung von Kosovo-Flüchtlingen. Schily müsse darlegen, "wie weit seine Bemühungen gediehen" seien. Deutsche Männer haben am 26. September fünf Musiker einer US-amerikanischen Big Band im brandenburgischen Prenzlau verprügelt. Nach Angaben eines US-Sprechers riefen die Täter "Sieg Heil", als sie auf die weißen Amerikaner einschlugen. Auch die Neuruppiner Staatsanwaltschaft geht von einem "ausländerfeindlichen Vorfall" aus. Einem der Opfer wurde das Nasenbein gebrochen, die anderen erlitten Prellungen. Die Täter konnten entkommen. Im oberbayerischen Kolbermoor erlag ein 35jähriger Mann aus Mosambik am 29. September den Verletzungen, die ihm ein Deutscher am 15. August zugefügt hatte. Der einschlägig bekannte 31jährige Rassist konnte direkt nach der Tat festgenommen werden. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Bereits am 19. September attackierten zwei Skinheads gegen Mittag im Berliner Bezirk Kreuzberg einen 33jährigen brasilianischen Künstler. Die beiden bestahlen den Mann im Görlitzer Park, beschimpften ihn als "schwule Sau", schlugen ihm einen Zahn aus und fügten ihm weitere Verletzungen im Gesicht und am Körper zu, so dass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Die Täter konnten entkommen. 15 im Frankfurter Osthafen ansässige Firmen haben bei Petra Roth (CDU), der Oberbürgermeisterin der Rhein-Main-Metropole, gegen die geplante Eröffnung eines Standplatzes für Sinti und Roma protestiert und eine entsprechende Interessengemeinschaft gegen die geplante Einrichtung gegründet. Jeweils für eine begrenzte Zeit sollen auf dem 1 500 Quadratmeter großen Gelände etwa 20 Wohnwagen stehen. "Dann sind wir unsere Auto-Ersatzteile gleich los", zitierte Lutz Sikorsky, Fraktionschef der Grünen im Römer, eine Stimme aus dem Kreis der Kleinunternehmer. Vergangene Woche reagierte die Roma-Union: Wenn Anlieger jetzt die Schaffung eines Durchreiseplatzes im Osthafen ablehnten, sei das diskriminierend und schreibe "das rassistische Klischee von Ethnie und Kriminalität" fort. Bei einer gemeinsamen Aktion von Polizei und Arbeitsämtern in Mirow, Perleberg und Neuruppin (Brandenburg) gegen verschiedene Imbisseinrichtungen wegen der illegalen Beschäftigung von Ausländern wurde ein türkischer Asylbewerber festgenommen. Der Mann hatte keine Aufenthaltserlaubnis und auch keine Arbeitsgenehmigung. Er wurde später mit der Auflage aus dem Polizeigewahrsam entlassen, dass er ins Perleberger Asylbewerberheim zurückgeht. Der Mirower Kebab-Laden, in dem er festgenommen worden war, wurde geschlossen. Ein zweimonatiger Hungerstreik war notwendig, damit der algerische Asylbewerber Moussa M. aus der Abschiebehaft entlassen wurde. Der Flüchtling verweigerte seit dem 20. Juli die Nahrungsaufnahme, nachdem sein ehemaliger sudanesischer Zellengenosse bei einem Abschiebeversuch auf dem Frankfurter Flughafen umgekommen war. Vor einigen Tagen wurde er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes in das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg verlegt, wo der Anstaltsarzt seine gesundheitliche Situation als "kritisch und zunehmend kritischer" einschätzte. Der Algerier konnte sich bereits zwei Abschiebeversuchen widersetzen. Erfolg für Bundesinnenminister Otto Schily (SPD): Mit 8 429 Personen beantragten im September 12,7 Prozent weniger Menschen in Deutschland Asyl als im Vormonat. Nicht einmal jeder zwanzigste Bewerber wurde im September als asylberechtigt anerkannt. Zudem ist die Zahl der Asylsuchenden aus dem Kosovo weiter rückläufig, woraus Schily schließt, "dass sich die Situation im Kosovo trotz des bevorstehenden Winters erfreulich stabilisiert" hätte. Grund genug für das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, wieder über Asylanträge von Jugoslawen und Jugoslawinnen zu entscheiden. Den während des Kosovo-Krieges verhängten Entscheidungsstopp hat die Behörde am Dienstag vergangener Woche aufgehoben. Nun müssen nicht nur die 15 000 Kosovo-Albaner, die wegen des Krieges geflüchtet waren, sondern auch rund 150 000, die bereits vorher hierher kamen, mit einer Abschiebung rechnen. Nur 1,8 Prozent aller Asylanträge von Flüchtlingen aus dem Kosovo wurden in letzter Zeit nicht abgewiesen. Nach Angaben der Antirassistischen Gruppe Hanau sind im Raum Hanau derzeit zwischen 60 und 70 Kurden und Kurdinnen von der Abschiebung bedroht. Wegen ihrer Panik vor der geplanten Abschiebung und Retraumatisierungen infolge erlittener Folter seien einige mittlerweile in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. "Die Drohung mit Selbstmord reicht nicht aus, um eine Aufenthaltsverlängerung zu erreichen", meinte der stellvertretende Leiter der Frankfurter Ausländerbehörde, Heiko Kleinsteuber, man wolle keine Präzedenzfälle schaffen. Anlass der Aussage war ein Kompetenzstreit in Frankfurt am Main, in dem vergangene Woche die Frankfurter Gesundheitsbehörde vor einer geplanten Abschiebung warnte. Ein seit 20 Jahren in Frankfurt am Main lebender tunesischer Mitarbeiter bei der Frankfurter Stadtentwässerung soll trotz gesundheitlicher Bedenken ausgewiesen werden. Dem 42jährigen war nach einer Ehescheidung eine Scheinheirat unterstellt worden. In Eberswalde wurden am 8. Oktober - zwei Wochen nach einem Überfall auf schwarze US-amerikanische Militärmusiker in Prenzlau - die fünf mutmaßlichen Täter festgenommen. Bei dem Brandanschlag im März auf eine Pizzeria in Schwerin soll ein V-Mann des Verfassungsschutzes beteiligt gewesen sein. Das Schweriner Innenministerium bestätigte dies am 9. Oktober. Am Abend des selben Tages wurde eine Asylbewerber-Unterkunft in Bad Grund (Harz) von zehn maskierten, mit Baseball-Schlägern ausgerüsteten Männern überfallen. Einer der beiden Verletzten aus dem Kongo war auch vier Tage nach dem Überfall noch nicht vernehmungsfähig. Die Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass es sich um rechtsradikale Täter handelte, es könne aber, so ein Sprecher, auch ein Streit in der Drogenszene sein, da die Asylbewerber als Dealer fungiert hätten. Die Asylbewerber aus Afrika verbrachten die Nacht zum Montag freiwillig in Arrestzellen der Polizei, weil sie Angst vor einem neuen Überfall hatten. Bundesinnenminister Schily und sein makedonischer Amtskollege Trajanov unterzeichneten am 10. Oktober ein Abkommen, nach dem Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo ab sofort über den Flughafen Skopje zurückkehren können. In diesem Zusammenhang äußerte Schily: "Aber es muss klar sein, dass eine Rückkehr nicht in das Belieben der Flüchtlinge gestellt ist." Er schließe auch eine zwangsweise Rückführung noch dieses Jahr nicht aus. Selbst innerhalb der Regierung ist diese Ankündigung auf Kritik gestoßen. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, und auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen warnten vor "zu schnellen Rückführungen" in das Kosovo. In der Nacht zum 11. Oktober drangen drei Männer in eine Asylbewerberunterkunft in Hamburg-Schnelsen ein und bedrohten die Bewohner mit einer Schusswaffe. Am 12. Oktober wies das Oberlandesgericht in Frankfurt/Oder eine Beschwerde des Brandstifters von Dolgenbrodt zurück. Der Mann muss demnach seine Haftstrafe antreten, weil er den Bewährungs-Auflagen nicht nachgekommen war. Er hatte 1992 im Einvernehmen mit Dorfbewohnern ein geplantes Asylbewerberheim angezündet. In Cottbus wurde am 12. Oktober das Verfahren im so genannten Gubener "Hetzjagd-Prozess" für einige Wochen auf Grund von Gesundheitsbeschwerden des Hauptangeklagten unterbrochen. Ein 20jähriger Algerier war auf der Flucht vor den Angeklagten verblutet. Am 13. Oktober entließ der private Fernsehsender TV-Berlin seinen Moderator Christian Rahbari. Dessen nächtliche Talk-Runde wurde wegen Antisemitismus mit sofortiger Wirkung abgesetzt. In Leipzig wurden am 13. Oktober fünf männliche Jugendliche festgenommen, nachdem sie in ein AsylbewerberInnenheim eingedrungen waren und Leuchtraketen gezündet hatten. http://www.jungle-world.com ________________________________________________________________________________ no copyright 1999 rolux.org - no commercial use without permission. is a moderated mailing list for the advancement of minor criticism. more information: mail to: majordomo@rolux.org, subject line: , message body: info. further questions: mail to: rolux-owner@rolux.org. archive: http://www.rolux.org